Früher in Pension: So vermeiden Sie die größten Fehle
Erschienen im Standard, am 3. April 2024
Wohl kaum eine Thematik stößt auf mehr Gehör und Interesse als der Wunsch, vor dem 65. Geburtstag in Pension zu gehen und finanziell sorgenfrei und unabhängig zu leben. Der Traum vom frühen Ausstieg aus dem Hamsterrad der Arbeit und von einem sorgenfreien Leben in Pension lockt viele Menschen, gleichzeitig aber auch viele vermeintliche Versprechungen an. Doch beim zweiten Blick sind die meisten, die es geschafft haben, aus der Tretmühle Arbeit auszusteigen, dann irgendwie doch damit beschäftigt, Geld zu verdienen. Denn der Weg zur Frührente ist voller Fallstricke. Wer die richtigen Schritte unternimmt und einige wichtige Punkte beachtet, kann seinen Traum jedoch Wirklichkeit werden lassen. In diesem Artikel werden die vier größten Fehler, die bei der Planung der früheren Pension vermieden werden sollten, beleuchtet.
Finanzvertriebe versuchen seit Jahren, mit der Angst vor der Pensionslücke ihre Vorsorgeprodukte zu verkaufen. Ihr Verkaufsargument: Die gesetzliche Rente ist zu gering und reicht nicht, um ihre Wünsche im Alter zu erfüllen. Das mag in vielen Fällen auch gerechtfertigt sein. Doch dies ist nur ein Teil, den es zu berücksichtigen gilt. Will man früher in Pension gehen, sind die Altersvorsorgeprodukte, die es meist bei Banken und Vertrieben gibt, nicht immer geeignet. 2003 wurde die neue Zukunftsvorsorge des damaligen Finanzministers Karl-Heinz Grasser hochgelobt. Vor allem sollte in inländische Wertpapiere investiert werden, nicht zuletzt um die nationalen Finanz- und Kapitalmärkte zu beleben (dies ist mangelhaft, vor dem Hintergrund einer geeigneten Risikostreuung, sprich Diversifikation, zu beurteilen). Die Ankündigungen der damaligen schwarz-blauen Regierung erfüllten sich jedoch nicht. Die Zahl der von der Regierung eingeführten Zukunftsvorsorge ist rückläufig. Die Veranlagungsrendite ist mehrmalig negativ, und das noch vor Kapitalgarantien und anderen Gebühren.
Pensions- und Sozialversicherungsbeiträge nicht berücksichtigen
Eine 40-jährige Frau gibt heute ihren Job auf, um in den vorgezogenen Ruhestand zu gehen, bekommt aber erst in 20 Jahren, also mit 60, ihre gesetzliche Pension (das derzeitige Antrittsalter der Frauen wird an jenes der Männer herangeführt). Aufgrund der fehlenden Versicherungsjahre ist mit entsprechenden Abschlägen zu rechnen. Das heißt, die gut 20 Jahre, bis eine Rente fließt (aufgrund der Erhöhung noch länger), muss sie komplett aus dem eigenen Vermögen bestreiten. Wenn sie eine gesetzliche Pension haben will, die ähnlich hoch ist wie jene im Fall des Arbeitens bis zum Regelpensionsalter, muss sie aus eigener Tasche in die Pensionsversicherung einzahlen.
Auch Beiträge für die Kranken- und Unfallversicherung sind zu berücksichtigen. Diese hängen für gesetzlich Versicherte vom Einkommen ab. Allein diese beiden Beiträge summieren sich auf bis zu 30 Prozent des Einkommens. Das heißt, auch wenn die 40-Jährige in unserem Beispiel nicht bei ihrem Ehemann oder ihrer Ehefrau familienversichert, sondern freiwillig gesetzlich versichert ist, werden sämtliche Einkünfte zur Bemessung der Krankenversicherungsbeiträge herangezogen.
Wer privat versichert ist, hat einen fixen Beitrag, der sich nicht nach dem Einkommen richtet. Allerdings erhöhen sich die Beiträge gerade bei älteren Versicherten häufig jedes Jahr stark, sodass auch hier schnell mehrere Hundert Euro monatlich fällig werden.
Auch andere Versicherungsbeiträge wie etwa Haftpflicht-, Wohngebäude- oder Hausratversicherung müssen weitergezahlt werden. Wer nicht mehr arbeitet und auch nicht mehr von dem, was er verdient, leben muss, braucht allerdings keine Berufsunfähigkeitsversicherung mehr. Deren Beiträge können, je nach Vertrag, auch niedrige dreistellige Summen ausmachen, die gespart werden können.
Die Teuerungsrate unterschätzen
Geht es darum, ein Budget für den vorgezogenen Ruhestand zu planen, sollten neben den Lebenshaltungskosten, wie bereits erwähnt, Beiträge für Versicherungen und Pension mitbedacht werden. Da diese Berechnungen zehn, 20, oder 30 Jahre in die Zukunft reichen, muss auch die Inflation eine wichtige Rolle spielen. Wird die Inflation nicht berücksichtigt, ist die vorgezogene Pension zum Scheitern verurteilt
Bereits eine Teuerungsrate von 3,5 Prozent pro Jahr sorgt über 20 Jahre dafür, dass man von seinem ersparten Vermögen die Hälfte verliert. Zwei Prozent Inflation im Schnitt sind eine gute Annahme. Schließlich wechselten sich Phasen mit hoher und solche mit niedriger Inflation immer wieder ab. Kurzfristig ist mit einer etwas höheren Inflationsrate zu rechnen. Wer vor diesem Hintergrund auf Nummer sicher gehen will, kann mit 2,5 oder drei Prozent durchschnittlicher Teuerung rechnen. Bei einer derzeit beabsichtigten Pension von 2.000 Euro bedeutet das eine Pension von etwa 3.600 Euro in 20 Jahren, um die gleiche Kaufkraft zu haben wie heute.
Das Geld für die Rente falsch anlegen
Wer früher in den Ruhestand gehen möchte, sollte nicht nur die Lücke zwischen dem Austritt aus dem Job und der Pensionsgrenze im Blick haben, sondern sich auch noch der Lücken bewusst sein, die sich ab 65 auftun können. Schließlich können nicht alle Menschen im Alter neben der gesetzlichen Pension auf eine Betriebsrente und weitere Einnahmen wie etwa Mieten vertrauen. Das heißt, es muss nicht nur im Vorfeld, sondern permanent angelegt werden. Geht es dabei um Geld, das erst in 15 oder 20 Jahren gebraucht wird, sind Indexfonds (ETFs), die in hunderte Aktien weltweit investieren, eine Möglichkeit. Geld, das in den kommenden Jahren benötigt wird, sollte in eher kurzfristigere Veranlagungsformen wie festverzinslich über Anleihefonds bis hin zu Spareinlagen investiert werden.
Finanzierbarkeit der Frühpension
Für wen die Frühpension überhaupt finanzierbar ist, kann man nicht pauschal sagen. Die Möglichkeit der Finanzierung des vorgezogenen Ruhestands hängt häufig weniger vom Einkommen als vom Ausgabenniveau ab. Freilich braucht es ein gewisses Einkommen, um die Fixkosten zu decken und das nötige Vermögen anzusparen, das man insbesondere für die Finanzierung der Übergangsphase bis zur Pension benötigt. Sofern dies gewährleistet ist, gilt es jedoch, die Ausgaben im Blick zu halten. Häufig wachsen diese mit dem Einkommen mit – zulasten einer ebenfalls möglichen höheren Sparquote. Wichtig ist, dass man seine Prioritäten klar definiert: Konsum heute oder früherer Ruhestand später. (Bernhard Führer, 3.4.2024)