Fünf Strategien für die Finanzplanung
Einfache Anlageprinzipien gehören häufig auch zu den besten – auf die Umsetzung kommt es an
Erschienen im Standard, am 6. Juni 2024
Im Gastblog berichtet Vermögensverwalter Bernhard Führer über fünf einfache Prinzipien beziehungsweise Ideen, die man bei der Veranlagung seines Geldes beachten sollte.
Isaac Newton brachte die Wissenschaft und das allgemeine Denken der Menschheit voran wie kaum ein anderer. Mit einem IQ von über 190 leistete er wesentliche Beiträge in Mathematik, Theologie, Ingenieurwesen und Technologie. Dies machte ihn wohl zu einer der wichtigsten Figuren der wissenschaftlichen Revolution. Aber so mächtig sein Verstand auch war, er konnte ihn nicht davor bewahren, unseren grundlegendsten menschlichen Instinkten, nämlich Angst, Gier und Neid, zu verfallen. Er verlor einen Großteil seines Kapitals aufgrund seiner Spekulationen.
Komplexität bedeutet nicht bessere Renditen
Innovation und Komplexität werden oft als Werttreiber in der modernen Wirtschaft gepriesen. Die Realität ist jedoch, dass der Wert nicht immer davon abhängt, wie neu oder komplex ein Produkt oder eine Dienstleistung ist. Wenn das wahr wäre, könnte man annehmen, dass jeder mit einem Intelligenzquotienten auf “Genieniveau” wohlhabend wäre. Gute mathematische Fähigkeiten führen auch nicht zu guten Anlagefähigkeiten. Denken wir an Long-Term Capital Management (LTCM). Dies war ein 1994 gegründeter Hedgefonds. Unter den Direktoren waren auch Myron S. Scholes und Robert C. Merton, welchen der Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften verliehen wurde. Komplexe Strategien und Instrumente führten zu einer Schieflage des Fonds, die das internationale Finanzsystem bedrohte. Viele gehen davon aus, dass Anleger, die sich auf mathematische Modelle verlassen und automatisierte Handelssysteme nutzen, immer besser abschneiden. Manche tun es, manche nicht. Als Einzelanleger kann es sinnvoll sein, Komplexität zu vermeiden.
Vermeiden, was man nicht versteht
Einer der wertvollsten Anlageratschläge besteht darin, keine finanziellen Vereinbarungen zu treffen oder Anlageideen zu verfolgen, die man nicht vollständig versteht. Die Verlockung hoher Renditen kann manchmal blind für die mit bestimmten Anlagen verbundenen Risiken machen. Unverständnis über Investitionen führt nicht nur oft zu Verlusten, sondern beeinträchtigt auch die Lebensqualität beziehungsweise den Schlaf. Viele Anleger verstehen Kryptowährungen und komplexe Finanzinstrumente nicht, trotzdem hindert sie dieses Unwissen nicht daran, in diese zu investieren. Das bedeutet nicht, dass man in jedem Detail ein Experte sein muss, aber man sollte eine klare Vorstellung davon haben, wie die Investition funktioniert und welche potenziellen Risiken bestehen. Warren Buffett gilt als einer der erfolgreichsten Anleger unserer Zeit. Auf seinem Schreibtisch steht eine Box mit der Aufschrift “Too Hard”. Dort kommt alles rein, was selbst er nicht versteht.
Anlegen für Freiheiten
Warum werden Veranlagungen und Investitionen getätigt? Darüber sollte jeder Anleger nachdenken. Die meisten beginnen zu investieren, weil sie mehr finanzielle Stabilität wünschen, Ziele wie eine Immobilie haben oder für die Pension Vorsorge treffen möchten. Egal mit welcher Absicht man beginnt, viele Menschen tappen in die Falle, endlos nach mehr Geld zu streben. Sie warten mit dem Gefühl der Erfüllung, bis sie einen bestimmten Geldbetrag in Aktien oder auf der Bank haben. Aber Reichtum sollte eher als ein Gefühl als eine Zahl verstanden werden. Wohlstand resultiert nicht daraus Geld anzuhäufen – es geht viel mehr um finanzielle Stabilität und Freiheiten. Es geht darum, finanzielle Notfälle zu überstehen, um die Freiheit, Entscheidungen zu treffen, die nicht von finanziellen Zwängen bestimmt werden, und um die Gewissheit, finanziell abgesichert zu sein. Gutverdiener können immer noch finanzielle Schwierigkeiten haben, wenn sie rücksichtslos Geld ausgeben und wenig sparen. In der Regel steigen die Ausgaben mit höherem Einkommen. Wer hingegen über ein bescheidenes Einkommen verfügt, kann durch sparsames Leben, fleißiges Sparen und Investieren entsprechende Freiheiten erlangen. Hier kommen einfache Anlageideen ins Spiel.
Mehr Geld sparen
Hohe Zinssätze, wie wir diese derzeit erleben, werden oft als negativ für das Finanzwachstum angesehen, da sie Kredite verteuern. Bei den jetzigen Zinssätzen, zahlt man annähernd die aufgenommene Kreditsumme zurück und dieselbe Summe an Zinsen. Viele Menschen sind sich dessen nicht bewusst. Das Auto auf Leasing? Mitunter sind Gebrauchtwagen die günstigere Alternative. Indem man den Geldbetrag erhöht, den man zur Seite legt, baut man einen finanziellen Puffer auf, den man jederzeit nutzen kann. Besonders in Zeiten hoher Zinssätze kann das hilfreich sein, sich viel Geld zu ersparen.
Durchschnittskosteneffekt – die beste passive Anlagestrategie
Der Durchschnittskosteneffekt ist eine Anlagestrategie, bei der man unabhängig vom Preis regelmäßig einen festen Geldbetrag in eine bestimmte Anlage investiert. Dies gewährleistet nicht nur eine konsistente Investition über einen längeren Zeitraum, sondern reduziert auch die Auswirkungen der Volatilität (Schwankungsbreite) der Käufe. Die Idee dahinter ist, dass man durch die Investition eines konstanten Anlagebetrags mehr Wertpapiere (wie beispielsweise Aktien) kauft, wenn die Preise niedrig sind, und weniger, wenn sie hoch sind. Diese Strategie hat zwei Hauptvorteile: Erstens entfällt die Notwendigkeit, den Markt perfekt zu “timen”. Sprich: Man muss sich weniger Gedanken über den Kauf zum “richtigen Zeitpunkt” machen, da die Investition über einen längeren Zeitraum verteilt wird. Zweitens verringert es das Risiko, zu einem bestimmten Zeitpunkt eine erhebliche Investition zu tätigen, deren Wert jedoch kurz darauf sinkt. Man profitiert so vom Spareffekt, von den Renditen des Investierens, von der laufenden Anlage und vom Zinseszins. Der Durchschnittskosteneffekt und die Einfachheit dieser Strategie zeigen, dass Investitionen nicht komplex sein müssen, um erfolgreich zu sein.
Stetiger Lernprozess
Finanzielle Bildung endet nie und ist kein Ziel, sondern eine ständige Reise. Selbst wenn man die Anlagestrategie einfach hält, bedeutet das nicht, dass man finanziell immer gut abschneiden wird. Um weiterhin Erträge zu erzielen und Vermögenswerte zu steigern, sollte man sich laufend darum kümmern und Finanzwissen aktiv aneignen. Wenn man also mit einer Investitionsmöglichkeit oder einer finanziellen Entscheidung konfrontiert ist, braucht es Zeit für Recherche, zum Fragenstellen, vertrauensvolle Beratung und Sicherstellung, dass verstanden wurde, worauf man sich einlässt
Keine der aufgezeigten Ideen, Grundsätze oder Prinzipien klingt sehr neu oder komplex. Das ist es auch, was Anlegen und Investieren ausmachen sollte: Es soll verständlich und einfach sein. (Bernhard Führer, 6.6.2024)
Bernhard Führer ist Gründer und Leiter der unabhängigen Vermögensplanungsgesellschaft Strategy & Plan, der Vermögensverwaltung TKA Funds, Autor, Dozent und Betriebswirt. Der Artikel erscheint ebenfalls auf seinem Corporate-Blog “Daily Economist”.
Quellen
Christine Benz (2021), Mein “zu harter” Stapel ist ziemlich groß, Morningstar
Thomas Levenson (2020), Seit 300 Jahren machen Anleger den gleichen Fehler, The Atlantic
Kim, Jinhee, und Garman, E. Thomas (2003), “Financial Stress and Its Impact on Employee Productivity.”
Terman, L. M., & Oden, M. H. (1959). “The Gifted Group at Mid-Life: Thirty-Five Years Follow-Up of the Superior Child”