KI-Boom oder Blase? Was Anleger aus dem Dotcom-Crash lernen können
Erschienen im Standard, im Juni 2025
Die Erinnerungen an das Jahr 2000 sind noch präsent: Der Nasdaq-Index erreichte damals Rekordhöhen, bevor er spektakulär abstürzte. Heute blicken viele Anleger mit ähnlicher Sorge auf den KI-Boom. Doch eine genaue Analyse der Dotcom-Ära zeigt: Auch wenn damals viele Unternehmen scheiterten, entstanden aus den Trümmern die wertvollsten Konzerne der Welt. Was bedeutet das für Anleger, Wirtschaft und Gesellschaft in Österreich?
Spekulation oder Sprungbrett?
Die Dotcom-Pleiten von 2000 wie Pets.com oder Webvan verdecken eine wichtige Wahrheit: Anders als bei reinen Spekulationsblasen entstanden aus den damaligen Milliarden-Investitionen reale Infrastrukturen – Glasfaserkabel, Rechenzentren und Technologien, die heute unser digitales Fundament bilden. Die fünf wertvollsten Unternehmen der Welt (Apple, Microsoft, Amazon, Google, Meta) sind direkte Erben dieser scheinbar gescheiterten Ära.
Heute dominiert die künstliche Intelligenz die Schlagzeilen – und die Börsen. Unternehmen wie Nvidia, OpenAI oder Alphabet werden mit dreistelligen Milliardenbeträgen bewertet. Investoren überbieten einander, um die Entwicklung immer leistungsfähigerer KI-Chips und Rechenzentren zu finanzieren. Doch ist das eine gefährliche Blase – oder der Beginn einer neuen Ära?
Die Geschichte lehrt: Nicht jede Spekulationswelle ist schlecht. Die Glasfasernetze, die um die Jahrtausendwende verlegt wurden, sind heute das Rückgrat des europäischen Internets. Ähnlich wie damals werden heute Milliarden in KI-Infrastruktur investiert – mit dem Potenzial, Produktivität und Wohlstand auch in Österreich massiv zu steigern.
Mehr als nur Hype
Die heutigen KI-Investitionen zeigen bereits messbare Ergebnisse. Such-Algorithmen sind intelligenter geworden, KI-Systeme schreiben Codes, und erste KI-Agenten übernehmen komplexe Aufgaben wie Flugbuchungen oder Terminplanung. In österreichischen Unternehmen dominieren Texterkennung und die automatisierte Datenanalyse als häufigste KI-Anwendung, gefolgt von Prozessoptimierung mit 32 Prozent Nutzungsrate.
Ein Beispiel aus der Praxis: Wenngleich das Unternehmen anderwärtig polarisiert, so wird Tesla oft als überbewertet kritisiert, investiert seine Gewinne jedoch in eine Zukunft mit mehr als nur Elektrofahrzeugen. Das Unternehmen baut seine Zukunft auf mehreren Säulen auf – von Elektroautos über Solartechnologie bis zu Robotaxis und humanoiden Robotern. 2025 will Tesla in den USA mit vollautonomen Robotaxis starten, die ohne Lenkrad und Pedale auskommen. Auch in Europa, inklusive Österreich, könnten solche Dienste in wenigen Jahren Realität werden – vorausgesetzt, die Regulierungen ziehen mit.
Tesla setzt dabei auf eine KI, die ausschließlich mit Kameras und neuronalen Netzen arbeitet – ähnlich wie ein Mensch mit Augen und Gehirn. Der Verzicht auf teure LiDAR-Sensoren macht die Technologie günstiger und skalierbarer. Im Energiesektor baut das Unternehmen seine Megafactory in Shanghai aus und will bis 2025 weltweit zehn Millionen Fahrzeuge auf die Straße bringen. Mit der Powerwall 3 und Megapack (Anm.: Heimspeicher, der überschüssige Solarenergie speichert) werden auch österreichische Haushalte und Stromnetze zunehmend unabhängig von fossilen Energieträgern.
Gute vs. schlechte Blasen
Die Geschichte von General Magic illustriert, warum scheinbare Fehlschläge und vermeintliche Blasen oft Grundsteine für späteren Erfolg legen. 1994 entwickelte das Unternehmen ein Gerät, das dem heutigen Smartphone verblüffend ähnelte – komplette Touchscreen-Bedienung, digitale Inhalte und sogar KI-Agenten für Alltagsaufgaben.
Das Problem: Die Zeit war noch nicht reif. Mobilfunknetze waren analog, Speicher teuer, und das Internet noch in den Kinderschuhen. General Magic ging 2002 bankrott. Doch seine Mitarbeiter prägten die spätere Technologie-Geschichte: Tony Fadell war bei Apple maßgeblich an der Entwicklung des iPod beteiligt und spielte auch bei der frühen iPhone-Entwicklung eine Rolle. Andy Rubin schuf Android, und John Giannandrea leitet heute Apples KI-Abteilung. Das Beispiel zeigt, dass der entscheidende Unterschied zwischen guten und schlechten Blasen darin begründet liegt, wohin das investierte Kapital fließt und weniger wann.
“Schlechte Blasen” entstehen, wenn Menschen auf Objekte ohne produktiven Wert spekulieren – Tulpen, Sammelkarten oder überteuerte Immobilien. “Gute Blasen” hingegen fördern revolutionäre Technologien und schaffen langfristige Werte. Die aktuellen KI-Investitionen fallen eindeutig in die zweite Kategorie. Weltweit flossen im dritten Quartal 2024 annähernd vier Milliarden Dollar in KI-Startups – Geld, das in Rechenzentren, Chips und Forschung investiert wird.
Produktivitätssteigerung als Erfolgsmesser
Die entscheidende Frage ist nicht, ob einige KI-Unternehmen scheitern werden – das ist bereits jetzt absehbar. Auch wenn viele KI-Startups scheitern werden, entstehen aus ihren Ideen und Technologien oft neue Märkte und Arbeitsplätze – wie einst bei General Magic, deren Vision vom Smartphone erst Jahre später durch Apple und Android Realität wurde.
Entscheidend ist, ob die Gesamtinvestitionen zu messbaren Produktivitätssteigerungen führen. Erste Anzeichen sind vielversprechend: KI-Systeme automatisieren bereits heute Routineaufgaben, beschleunigen Entwicklungsprozesse und ermöglichen neue Geschäftsmodelle. Wie einst die Elektrifizierung die Dampfkraft ablöste, könnte KI ähnlich fundamentale Veränderungen bewirken.
Die Parallelen zwischen Dotcom-Boom und KI-Hype sind dabei offensichtlich und genau das ist Grund zur Hoffnung. Österreich hat die Chance, von dieser Entwicklung zu profitieren – durch gezielte Investitionen in Forschung, Bildung und Unternehmen. Denn am Ende sind es nicht die spektakulären Pleiten, die zählen, sondern die stillen Revolutionen, die aus ihren Trümmern hervorgehen. (Bernhard Führer, 16.6.2025)
Bernhard Führer ist Gründer und Leiter der unabhängigen Vermögensplanungsgesellschaft Strategy & Plan sowie der Vermögensverwaltung TKA Funds, Autor, Dozent und Betriebswirt. Der Artikel erscheint ebenfalls auf seinem Corporate-Blog “Daily Economist”.
Quellen
Teslamag, Neue Autos später, Solar-Supercharger, KI-Marketing, Robotaxi-Zweifel
Golem, 3,9 Milliarden US-Dollar in einem Quartal für KI
Hnf, Die Firma die zu früh kam
Digitales Leben, General Magic und Pocket Crystal – eine Vision für die Zukunft