Marktschwankungen sind kein Risiko – Ihre Angst davor ist es

Viele Menschen schrecken vor Aktien zurück, weil sie auf die Kursausschläge starren wie das Kaninchen auf die Schlange. Dabei liegen die echten Gefahren für Anleger ganz woanders – und werden oft übersehen. Wer versteht, was Volatilität wirklich bedeutet (und was nicht), trifft klügere Entscheidungen und bewahrt einen kühlen Kopf, wenn es an der Börse stürmisch wird.

Schwankungen gehören dazu – Verluste müssen nicht

Aktienkurse schwanken, manchmal heftig. Das ist keine Anomalie, sondern der Normalzustand. Wer damit nicht umgehen kann, sollte sich ernsthaft fragen, ob er das richtige Anlagevehikel gewählt hat. Wer aber Zeit mitbringt und nicht jeden Tag ins Depot schaut, hat deutlich bessere Karten. Mindestens fünf Jahre, besser zehn oder mehr – das ist der Zeithorizont, mit dem Aktien ihr volles Potenzial entfalten.

Und genau hier liegt der Denkfehler vieler Anleger: Sie verwechseln kurzfristige Schwankungen mit langfristigem Risiko. Doch Volatilität bedeutet nicht automatisch Gefahr. Sie ist nur ein Maß für Kursschwankungen – nicht für Verluste.

Was sagt Volatilität wirklich aus?

Akademiker nutzen Volatilität gern als Risikokennzahl, weil sie mathematisch gut greifbar ist. Doch in der Praxis ist sie oft irreführend. Ein Beispiel: Eine Aktie springt von 100 auf 120 Euro – hohe Volatilität. Eine andere pendelt langsam von 100 auf 108 – geringe Volatilität. Welche ist riskanter?

Ohne Kontext lässt sich das nicht sagen. Denn ob eine Kursbewegung sinnvoll oder übertrieben ist, hängt von Fundamentaldaten, Marktumfeld und Erwartungen ab. Ein starker Kursanstieg kann genauso rational sein wie ein Rücksetzer – oder eben auch nicht.

Warren Buffett brachte es einmal trocken auf den Punkt, als man ihm erklärte, dass Schwankungen als Risiko gelten: „That’s where they lost me.“

Er hatte recht: Wer langfristig investiert, sollte nicht Volatilität fürchten, sondern Fehlentscheidungen, überhöhte Kosten oder emotional getriebene Verkäufe. Das sind die wahren Risiken.

Ein Gedankenexperiment: Börse auf Mute

Stellen Sie sich vor, Sie gehen für ein Jahr offline – Weltreise, keine Nachrichten, kein Blick ins Depot. Vorher investieren Sie in zwei Aktien:

  • Aktie A schwankt stark: fällt auf 80, steigt auf 120.

  • Aktie B bleibt stabil, steht am Ende bei 108.

Als Sie zurückkehren, sehen Sie nur den Endstand. Welche Aktie bringt mehr Freude? Natürlich Aktie A – trotz (oder gerade wegen) der Schwankungen. Der springende Punkt: Wer nicht zusieht, leidet auch nicht mit. Volatilität ist nur ein Problem, wenn man sie ständig beobachtet – oder falsch versteht.

Risiko heißt: dauerhafter Verlust – nicht temporäres Auf und Ab

Eine Anlage ist riskant, wenn sie Kapital vernichtet, nicht wenn sie zwischendurch zittert. Wer sein Erspartes auf einem schlecht abgesicherten Bankkonto parkt, das über die Einlagensicherung hinausgeht, riskiert echte Verluste – etwa im Fall einer Bankenpleite. Das ist Risiko.
Wer sein Geld auf einem Sparkonto liegen lässt, das Jahr für Jahr von der Inflation aufgefressen wird, erleidet ebenfalls realen Schaden – schleichend, aber sicher.

Sicherheitsillusion Sparbuch

Viele halten das Sparbuch für sicher. Es schwankt nicht, es zahlt ein paar Zinsen. Aber diese Zinsen liegen meist unterhalb der Inflationsrate. Das bedeutet: Die Kaufkraft sinkt – garantiert und vorhersehbar. Langfristig ist das Sparbuch also ein Verlustgeschäft. Nur merken es viele nicht sofort.

Im Gegensatz dazu bieten Aktien – trotz kurzfristiger Unsicherheit – deutlich bessere langfristige Renditechancen. Gerade für die Altersvorsorge ist das entscheidend. Wer jahrzehntelang spart, braucht Vermögenszuwachs, nicht nur Kapitalerhalt.

Kursrückgänge als Chance sehen

So paradox es klingen mag: Sinkende Kurse sind für geduldige Anleger kein Grund zur Panik, sondern eine Gelegenheit. Wer regelmäßig investiert, profitiert von günstigeren Einstiegspreisen. Oder, wie es im Handelsjargon heißt: Der Gewinn liegt im Einkauf.

Denn nichts anderes passiert bei einem Marktrückgang: Zukunftspotenzial wird billiger. Wer dann zugreift – oder einfach stur weiter investiert – erhöht seine Chancen auf langfristigen Erfolg.

Fazit: Lernen Sie, mit Schwankungen zu leben – nicht, sie zu vermeiden

Nicht Volatilität ist das Problem, sondern die Reaktion darauf. Angst vor Kursschwankungen führt zu Fehlentscheidungen – etwa dem Verkauf zum falschen Zeitpunkt oder dem Verzicht auf Renditechancen. Wer langfristig denkt, kann Kursschwankungen ignorieren und sollte sie eher als natürlichen Teil des Investierens sehen.

Das größte Risiko liegt nicht im Markt – es liegt im eigenen Verhalten.