Passives Investieren: Chancen, Risiken und praktische Strategien

Erschienen im Standard, im Februar 2025

Warum passive Anlagestrategien langfristig erfolgreich sein können – und wie Anleger typische Fallstricke vermeiden

Ein Großteil der Vermögenswerte werden immer noch in aktive Fonds veranlagt, obwohl es eine Vielzahl von Studien gibt, die zeigen, dass damit geringere Renditen erzielt werden, Risiken steigen und höhere Kosten (Kostenunterschiede von mehr als 3,5 Prozent jährlich sind keine Seltenheit) entstehen. Jährlich entgehen österreichischen Anlegern dadurch Milliardenbeträge aufgrund irreführender Empfehlungen bei der Fondsauswahl. Profitstreben der jeweiligen Institutionen, mangelnde Unabhängigkeit, provisionsgetriebener Verkauf und hauseigene Fonds können dafür verantwortlich gemacht werden, dass diese Produkte häufig gar nicht angeboten werden, obwohl sie eigentlich besser für die Anleger wären.

Vergleich zwischen den Anlagen

Der Vergleich zwischen aktiven und passiven Fonds lässt sich mit dem Lebenszyklus vieler Unternehmen vergleichen: Anfangs gibt es eine Phase der Innovation und Dynamik, in der aktiv gemanagte Fonds oft starke Ergebnisse liefern. Mit der Zeit jedoch kann eine gewisse Trägheit einsetzen – erfolgreiche Fonds ziehen viel Kapital an, ihre Flexibilität nimmt ab, und die ursprüngliche Strategie verliert an Schlagkraft. Diese “Ermüdungserscheinung” ist ein häufiges Problem aktiver Fonds, das Anleger berücksichtigen sollten. Hinzu kommt, dass Anlegern häufig nur die Fonds präsentiert werden, welche in der Vergangenheit eine gute Entwicklung zeigten. Weniger gute Fonds werden aufgelassen oder mit anderen Fonds verschmelzt.

Während die erste Generation aktiver Fondsmanager in den 1980er und 90er Jahren noch beachtliche Überrenditen erzielen konnte, sehen wir heute eine andere Situation: Die moderne Finanzwelt mit ihrer hohen Transparenz und Effizienz macht es zunehmend schwerer, den Markt zu schlagen. Viele aktive Fonds verlieren sich heute in komplexen Strategien und hohen Gebühren, während passive Indexfonds mit ihrer schlichten, aber effizienten Herangehensweise oft die bessere Wahl darstellen.

Dies bedeutet nicht das “Verkommen” aktiver Strategien, wie es im literarischen Beispiel beschrieben wird. Vielmehr zeigt es die Evolution der Finanzmärkte: Wo früher aktives Management notwendig war, um Ineffizienzen auszunutzen, bieten heute passive Strategien einen kostengünstigen und transparenten Zugang zu den Märkten.

Niedrige Kosten und solide Renditen haben dazu geführt, dass immer mehr Menschen auf passive Anlagestrategien setzen. Doch wie jede Strategie birgt auch diese potenzielle Risiken. In diesem Artikel beleuchte ich drei häufig genannte Kritikpunkte und zeige anhand konkreter Beispiele, welche Herausforderungen bestehen und wie Anleger damit umgehen können.

Preisverzerrung: Wird der Markt manipuliert?

Eine häufige Kritik lautet, dass passives Investieren die Preisbildung am Markt verzerrt. Da ETFs und Indexfonds Aktien lediglich nach ihrer Indexgewichtung kaufen – unabhängig von den Fundamentaldaten – könnten überbewertete Aktien noch weiter steigen, während unterbewertete Aktien nicht die nötige Aufmerksamkeit erhalten.

Beispiel: Stellen wir uns vor, dass ein Indexfonds auf den S&P 500 investiert. Er kauft automatisch größere Mengen der Aktien von Unternehmen wie Apple oder Microsoft, weil diese eine hohe Marktkapitalisierung haben. Das kann dazu führen, dass diese Unternehmen noch weiter wachsen – unabhängig von ihrer tatsächlichen wirtschaftlichen Leistung.

Realität: Daten zeigen jedoch, dass stark passiv gehaltene Aktien nicht zwangsläufig überbewertet sind. Nvidia, eines der wertvollsten Unternehmen der Welt, ist nicht nur durch passive Investitionen gestiegen, sondern vor allem durch die starke Nachfrage nach seinen KI-Chips. Aktive Investoren haben den Kurs getrieben, nicht nur ETFs.

Marktinstabilität: Führen passive Fonds zu stärkeren Schwankungen?

Ein weiteres Argument ist, dass passive Fonds in Krisenzeiten eine Abwärtsspirale auslösen könnten, wenn viele Anleger gleichzeitig verkaufen. Da ETFs nicht auf fundamentale Daten reagieren, könnte dies die Volatilität am Markt erhöhen.

Beispiel: Angenommen, in einer Krise verkaufen viele Anleger ihre ETF-Anteile gleichzeitig. Die Fondsmanager müssen dann große Mengen von Aktien veräußern, was den Markt zusätzlich nach unten drückt und Panik verstärkt.

Realität: Studien wie “How America Invests” von Vanguard zeigen jedoch, dass passive Anleger während Krisen tendenziell weniger panisch reagieren als aktive Anleger. Während des Corona-Crashs 2020 haben viele passive Investoren ihre Anteile gehalten, anstatt panikartig zu verkaufen.

Unternehmensführung: Zu viel Macht in wenigen Händen?

Da große Indexfondsanbieter wie BlackRock, Vanguard und State Street in unzählige Unternehmen investieren, wird oft kritisiert, dass sie eine zu große Kontrolle über das Unternehmensgeschehen ausüben. Da sie in Namen der Anleger abstimmen, haben sie einen erheblichen Einfluss auf Unternehmensentscheidungen.

Beispiel: Nehmen wir an, BlackRock besitzt große Anteile an mehreren Automobilherstellern. Wenn BlackRock in Hauptversammlungen für strengere Umweltauflagen stimmt, könnte dies Einfluss auf die Unternehmensstrategie haben – unabhängig davon, was einzelne Privatanleger tatsächlich befürworten würden.

Realität: Während diese Sorge berechtigt ist, zeigt sich in der Praxis, dass sich die meisten Privatanleger nicht aktiv mit der Unternehmensführung beschäftigen möchten. Die Abstimmung über Tausende von Vorschlägen pro Jahr wäre für den Einzelnen kaum praktikabel.

Risiken verstehen, aber nicht überbewerten

Passives Investieren ist nicht perfekt, aber die meisten Bedenken sind entweder übertrieben oder schwer zu lösen. Preisverzerrungen existieren, aber der Markt gleicht diese durch aktive Investoren weitgehend aus. Marktinstabilität könnte ein Risiko sein, doch Daten zeigen, dass passive Anleger oft besonnen agieren. Und während große Fondsanbieter Einfluss auf Unternehmen haben, ist unklar, ob dies tatsächlich negative Konsequenzen für Investoren hat.

Für Privatanleger bleibt passives Investieren eine bewährte Strategie, um langfristig Vermögen aufzubauen. Allerdings sollten Anleger folgende Maßnahmen berücksichtigen, um potenzielle Risiken zu minimieren:

Regelmäßige Überprüfung: Das Portfolio sollte in regelmäßigen Abständen überprüft und bei Bedarf angepasst werden. Dabei ist es wichtig, nicht in aktionistische Umschichtungen zu verfallen, sondern Veränderungen stets mit Blick auf die langfristige Strategie vorzunehmen.

Risikotoleranz kennen: Die gewählte Anlagestrategie sollte sowohl zur individuellen finanziellen Situation als auch zur persönlichen Risikobereitschaft passen. Gleichzeitig ist es essenziell, das wirtschaftliche Umfeld und die Entwicklungen an den Finanz- und Kapitalmärkten im Blick zu behalten.

Langfristige Disziplin: Viele Anleger scheitern an Angst und Gier, was zu unüberlegten Entscheidungen führen kann. Um langfristig erfolgreich zu investieren, ist es entscheidend, auch in Krisenzeiten investiert zu bleiben, günstige Nachkaufgelegenheiten zu nutzen und sich nicht von kurzfristigen Marktschwankungen verunsichern zu lassen.

Wer diese Prinzipien beachtet und langfristig investiert, hat gute Chancen, erfolgreich Vermögen aufzubauen. (Bernhard Führer, 11.2.2025)

Bernhard Führer ist Gründer und Leiter der unabhängigen Vermögensplanungsgesellschaft Strategy & Plan sowie der Vermögensverwaltung TKA Funds, Autor, Dozent und Betriebswirt. Der Artikel erscheint ebenfalls auf seinem Corporate-Blog “Daily Economist”.

Quellen

Die große Fondslüge

Ernst J. Fahling, E. Steurer, Sven Sauer (2019), Active vs. Passive Funds—An Empirical Analysis of the German Equity Market

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