Unabhängige Honorarberatung in Österreich
Die Finanzberatung in Österreich ist stark von provisionsbasierten Modellen geprägt. Banken und Versicherungen dominieren den Markt, ihre Beraterinnen und Berater werden in der Regel durch den Verkauf von Produkten entlohnt. Ein alternatives Modell, das in anderen europäischen Ländern längst etabliert ist, gewinnt jedoch zunehmend an Aufmerksamkeit: die unabhängige Honorarberatung.
Was bedeutet Honorarberatung?
Honorarberatung basiert darauf, dass Beraterinnen und Berater nicht durch Provisionen von Banken oder Versicherungen bezahlt werden, sondern direkt von ihren Kundinnen und Kunden ein Honorar erhalten – ähnlich wie bei Rechtsanwälten oder Steuerberatern. Dieses Modell schafft eine klare Interessenslage: Die Empfehlung soll im besten Interesse der Anleger erfolgen, da keine versteckten Verkaufsanreize bestehen.
Europäische Vergleiche
In Ländern wie Großbritannien und den Niederlanden wurde die Provisionsberatung regulatorisch stark eingeschränkt oder ganz untersagt. In Großbritannien führte der sogenannte „Retail Distribution Review“ im Jahr 2013 dazu, dass Provisionen für Finanzprodukte abgeschafft wurden. Die Folge: ein starker Anstieg der unabhängigen Beratung und eine höhere Transparenz für Anleger. Auch in Skandinavien ist Honorarberatung weit verbreitet und wird von Konsumentenschützern als Standard empfohlen.
In Österreich hingegen spielt die Honorarberatung bislang eine Nebenrolle. Laut Daten der Finanzmarktaufsicht (FMA) und der Wirtschaftskammer ist nur ein sehr kleiner Teil der zugelassenen Berater auf Honorarbasis tätig. Genaue Zahlen liegen selten vor, Schätzungen gehen jedoch davon aus, dass weniger als 5 Prozent der Finanzberatung unabhängig honorarbasiert erfolgt.
Vorteile für Anleger
- Transparenz: Die Kosten sind klar ausgewiesen, versteckte Provisionen entfallen.
- Unabhängigkeit: Der Berater ist nicht an bestimmte Produktanbieter gebunden.
- Langfristige Ausrichtung: Strategien können stärker an Zielen wie Vermögensaufbau, Altersvorsorge oder nachhaltigen Investments ausgerichtet werden, ohne dass der Produktverkauf im Vordergrund steht.
Herausforderungen in Österreich
Ein wesentlicher Grund, warum sich Honorarberatung bisher kaum durchgesetzt hat, liegt in der Mentalität. Viele österreichische Anleger sind daran gewöhnt, dass Beratung „kostenlos“ ist – ohne zu berücksichtigen, dass sie indirekt über Produktkosten und Provisionen bezahlen. Hinzu kommt, dass Banken und Versicherungen eine enorme Marktmacht besitzen und ihre Vertriebsmodelle seit Jahrzehnten etabliert sind.
Ein weiterer Punkt ist die Regulierung. Zwar existiert die Möglichkeit zur Honorarberatung, doch es fehlen rechtliche Anreize oder steuerliche Vorteile, die dieses Modell fördern könnten. Im europäischen Vergleich ist Österreich hier Nachzügler.
Perspektiven und Trends
Mit wachsendem Interesse an nachhaltigen Investments und digitaler Vermögensverwaltung könnte die Honorarberatung an Bedeutung gewinnen. Studien der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) zeigen, dass Anleger zunehmend Transparenz und Kostenbewusstsein fordern. Digitale Plattformen, die gegen fixe Gebühren Anlagestrategien entwickeln, treiben diesen Wandel voran.
Ein praktisches Beispiel: In Deutschland haben sich unabhängige Honorarberater-Netzwerke etabliert, die klar ausgewiesene Stundensätze oder Pauschalen verlangen. Übertragen auf Österreich könnte ein Anleger mit einem mittleren fünfstelligen Vermögen beispielsweise für eine umfassende Strategieplanung 1.500 bis 2.500 Euro zahlen – ein Betrag, der im Vergleich zu langfristig anfallenden versteckten Produktkosten oft deutlich günstiger ist.
Fazit
Unabhängige Honorarberatung ist in Österreich noch ein Nischenmodell, bietet aber erhebliches Potenzial für mehr Transparenz und Fairness im Finanzsektor. Europäische Erfahrungen zeigen, dass ein Wandel möglich ist – wenn Regulierung, Marktbedingungen und Bewusstsein der Anleger zusammenspielen. Die kommenden Jahre werden entscheiden, ob Österreich in dieser Entwicklung Schritt hält oder weiter hinter den Vorreitern zurückbleibt.

