Verzerrte Zahlen, vernebelte Wahrheiten: Wie IRR-Tricks Private-Equity-Investoren täuschen

Private Equity verkauft sich glänzend – mit angeblich spektakulären Renditen, die institutionelle wie private Anleger in Scharen anlocken. Doch was viele für solide Anlageperformance halten, ist oft ein Rechentrick mit System. Der interne Zinsfuß (IRR), das bevorzugte Maß der Branche zur Darstellung von Erfolgen, wird gezielt verzerrt – mit gravierenden Folgen für die Markttransparenz und den Anlegerschutz. Besonders in Großbritannien wächst das Risiko: Regulierer schauen weg, während Milliarden in illusionäre Versprechen fließen.

Private Equity: Renditen wie aus dem Märchenbuch?

Manche Zahlen klingen zu gut, um wahr zu sein – und sind es auch. Der Private-Equity-Riese KKR wirbt mit einer jährlichen Rendite von 25,5 % seit 1976, Apollo sogar mit 39 %. Solche Zahlen wirken fast schon magisch, besonders für Pensionsfonds und private Investoren, die verzweifelt nach Rendite jagen. Doch Oxford-Professor Ludovic Phalippou zeigt: Diese Angaben sind keine belegbaren Erfolge, sondern kalkulierte Illusionen.

Würde KKRs erster Fonds seit 1976 tatsächlich konstant 26 % pro Jahr erwirtschaftet haben, wäre daraus heute ein Vermögen von 2,6 Billionen Pfund entstanden. Apollos Fonds müssten 74 Billionen Pfund wert sein – mehr als das weltweite BIP. Die Rechnung geht schlichtweg nicht auf. Sie ist ein Warnsignal: Die Zahlen im Private Equity sind verzerrt – und der IRR ist das Werkzeug der Täuschung.

Der IRR – ein Rechentrick mit Folgen

Der interne Zinsfuß klingt nach wissenschaftlicher Präzision. Doch in Wahrheit ist er leicht manipulierbar – und wird genau deshalb von der Branche bevorzugt. Der IRR geht davon aus, dass alle Rückflüsse sofort wieder zum gleichen Zinssatz reinvestiert werden können – eine unrealistische Annahme. Noch problematischer: Er gewichtet frühe Rückflüsse überproportional stark, während langfristige Entwicklungen kaum ins Gewicht fallen.

Fondsmanager nutzen das gezielt. Wer eine erfolgreiche Beteiligung früh verkauft, kann damit den IRR in die Höhe treiben – selbst wenn spätere Investments Verluste bringen. Auch Fremdkapitaltricks helfen: Wird mit Kredit statt mit Investorengeldern gestartet, erscheinen die ersten Rückflüsse stärker, der IRR steigt. Das Resultat: glänzende Zahlen, die mit realer Fondsperformance kaum etwas zu tun haben.

Mehr Schein als Sein

Was bleibt vom Private-Equity-Mythos, wenn man den IRR entzaubert? Laut Phalippous Analysen, die konservative Annahmen zugrunde legen, erzielen Fonds zwischen 2006 und 2016 im Schnitt 8,6 % pro Jahr – also kaum mehr als der S&P 500. Doch während ETFs liquide, kostengünstig und transparent sind, verlangt Private Equity hohe Gebühren, schränkt die Verfügbarkeit ein und erschwert Vergleichbarkeit.

Private Equity sollte eigentlich eine spürbare Mehrrendite bieten – mindestens drei Prozentpunkte über dem öffentlichen Markt. Stattdessen zahlen Anleger mehr für weniger und verlassen sich dabei auf eine Kennzahl, die in sich brüchig ist. Wer das nicht erkennt, tappt in eine gefährliche Falle.

Aufsichtsversagen auf ganzer Linie

Während andere Sektoren strenger Regulierung unterliegen, bleiben die Performanceberichte im Private Equity weitgehend unangetastet. Die britische Finanzaufsicht FCA spricht zwar vom Schutz der Verbraucher vor irreführender Werbung – lässt aber zu, dass Fonds mit Zahlen werben, die fundamentale Rechenfehler enthalten.

Das ist nicht nur fahrlässig, sondern gefährlich. Denn inzwischen zielt die Branche massiv auf Privatanleger: über Pensionsfonds, Steuerfreibeträge (ISAs) und neue „Wachstumsfonds“. Doch die wenigsten Privatanleger durchschauen IRR-Manipulationen. Ohne regulatorische Eingriffe wächst eine Asymmetrie: Fondsmanager kennen die Schwächen des IRR – Anleger nicht.

CMA zeigt, wie’s geht – und FCA bleibt untätig

Es gäbe bereits rechtliche Mittel, gegen irreführende Performanceangaben vorzugehen. Seit April kann die Wettbewerbsbehörde CMA Unternehmen mit bis zu 10 % des globalen Umsatzes bestrafen, wenn sie Konsumenten mit überzogenen oder falschen Behauptungen ködern. Genau das passiert im Private Equity täglich – ohne Konsequenzen.

Die FCA hingegen fährt eine entgegengesetzte Linie: Ihre aktuelle Strategie verspricht ausdrücklich weniger Kontrollen und weniger Durchsetzung. Das ist brandgefährlich – gerade jetzt, wo die Produkte komplexer und die Zielgruppen anfälliger werden. Wer den Markt für Privatanleger öffnet, muss ihn auch besser absichern. Andernfalls ist das ein Spiel mit dem Feuer.

Was jetzt passieren muss

Die Lösungen liegen auf dem Tisch. “Horizon-IRRs“, also rollierende, zeitraumbezogene Renditen, die besser mit anderen Anlageformen vergleichbar sind, wären vonnöten. Werden diese Maßstäbe angelegt, sinkt KKRs reale Rendite auf rund 12 %, Yale liegt bei 11,5 %. Solide – aber weit entfernt von der Wunderwaffe, als die Private Equity vermarktet wird.

Außerdem sollte der Begriff „IRR“ aus der Marketingkommunikation verbannt werden. Stattdessen: Transparente Renditeangaben, realistische Vergleichszeiträume und klar sichtbare Warnungen, wenn ein IRR über 15 % liegt. Solche Werte sollten automatisch als „nicht vergleichbar“ markiert werden – ähnlich wie bei negativen Ergebnissen, die mit „n.m.“ gekennzeichnet sind.

Markttransparenz ist kein Luxus, sondern Pflicht

Die Branche wird Gegenwehr leisten. Sie wird sagen, institutionelle Investoren wüssten schon, wie IRRs zu lesen sind. Aber das greift zu kurz. Selbst erfahrene Anleger vergleichen Zahlen – und wenn alle dieselbe fehlerhafte Kennzahl verwenden, verliert der Markt jede Disziplin. Noch gravierender ist die Situation für Privatanleger: Ihnen fehlen die Mittel, solche Täuschungen zu erkennen. Sie vertrauen auf Regulierer – zu Recht.

Wenn die FCA jetzt nicht handelt, riskiert sie einen massiven Vertrauensverlust. Private Equity ist dabei, sich tief im Spar- und Rentensystem breitzumachen. Ohne klare Regeln wird daraus keine Erfolgsgeschichte, sondern ein gefährlicher Rückschritt in Sachen Transparenz und Fairness. Es geht nicht nur um Zahlen. Es geht um Marktintegrität – und darum, ob Anleger die Wahrheit über ihr Geld erfahren dürfen.

Fazit:
Die Manipulation des IRR ist kein technischer Nebenschauplatz – sie ist das Herz eines milliardenschweren Problems. Wenn Private Equity weiter mit Illusionen wirbt, während Regulierer untätig bleiben, zahlen am Ende die Anleger die Rechnung. Vertrauen entsteht nicht durch Renditeversprechen, sondern durch ehrliche, überprüfbare Fakten. Es ist Zeit, diese Fakten einzufordern.